Frische Wege in der Werbung – Das Wertinger Festival in der Antarktis
Kaum ein Gitarrist, der Uwe Trekel nicht kennt. Von Hamburg aus betreibt Trekel in zweiter Generation Deutschlands wohl renommiertestes Geschäft für Gitarrenliteratur und -zubehör.
In seinem Stammhaus ist er freilich selten anzutreffen, reist er doch den wichtigen Gitarrenfestivals hinterher, um Teilnehmer wie Besucher mit allem Nötigen von Capodaster oder Fußstütze bis zu Noten und CDs, aber auch mit Rat und notfalls mit Gummibärchen- und Whiskey-Trost zu versorgen. Er hat viele Festivals kommen und gehen sehen und sucht sich natürlich die aus, die sich für ihn rechnen. Ob das Internationale Gitarrenfestival Wertingen schon in diese Kategorie gehört, darf man bezweifeln. Trotzdem war Trekel auch bei der vierten Ausgabe wieder dabei: “Ich sehe hier Potenzial. Da möchte ich mitwachsen und nicht hinterher um ein Plätzchen betteln müssen.”
Wie immer ist so ein Projekt eng mit ein paar Personen verknüpft. Mit der Hobby-Gitarristin Bärbel Schoen etwa, die sich das Ganze einst in den Kopf gesetzt und zunächst in Eigenregie gestartet hat; mit dem Bürgermeister Willy Lehmeier, der das Festival in städtische Hand übernommen hat und nach Kräften fördert; und natürlich mit dem Münchner Gitarristen Johannes Tonio Kreusch, der als künstlerischer Leiter nach Hersbruck auch Wertingen zu einem Begriff machen möchte. Das Rezept ist hier wie dort gleich: Alle Facetten der Gitarrenmusik werden gezeigt, die Künstler kommen nicht nur zum Konzert, sondern werden als Dozenten Teil einer Festivalfamilie; und das Programm richtet sich nicht nach Tourkalendern, sondern wird exklusiv zu einem harmonischen Ganzen zusammengestellt.
Was diesmal einen knalligen Auftakt mit dem Blues- und Soul-Duo Friend’n’Fellow ergab; dann einen unterhaltsamen Klassikabend mit dem etwas zaghaften Fabio Montomoli und den souverän bis in den Pop vorstoßenden Katona Twins, dem wohl interessantesten und populärsten Gitarrenduo. Erneut Publikumsliebling war Carlos Barbosa-Lima mit seinem virtuosen und großartig arrangierten Spaziergang durch die südamerikanische Musik. Sein Überraschungsduett mit Johannes Tonio-Kreusch – der anschließend auch seinen Bruder, den Jazz-Pianisten Cornelius Claudio Kreusch einführte – war der bewegendste Moment des Festivals. Zusammen mit den anrührend schwungvollen orientalischen Kunststücken des Baglama-Meisters Kemal Dinc. Zum Abschluss erlag Fingerstyle-Guru Alex de Grassi wie viele Akustik-Gitarristen mitunter der Versuchung, zu viel Gimmicks in seine Stücke zu packen, und Jazz-Gitarristin Susan Weinert blieb mit ihrem Mann Martin am Bass wieder einmal einen Tick zu brav.
Dass man aber alles in allem mehr als zufrieden sein konnte, lag auch daran, dass die bislang über Schloss, Standesamt, Kirche und Gymnasium verstreuten Aktivitäten und Konzerte erstmals in der atmosphärisch durchaus ansprechenden Stadthalle gebündelt waren, die so zum funktionierenden Festivalzentrum wurde. Auch das ist ein deutlicher Beleg für das erwähnte Potenzial.